Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Neue Denkmuster erwünscht!

Erschienen in: Aargauer Zeitung/Nordostschweiz, 15.02.2016, 18.

 

Frauenquoten, gleicher Lohn für Frau und Mann, Teilzeitarbeit auch für Väter, Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Der Weg zur Gleichberechtigung ist gepflastert mit Schlagworten. Die Marschrichtung scheint klar, der Weg aber noch lang. Trotzdem beginnt uns diese Strategie zu überfordern. Sichtbar wird dies schon bei jungen Paaren, die Eltern werden. Man gibt das Kind möglichst früh in die Krippe, damit Mütter gleichberechtigt mit den Vätern wieder arbeiten gehen können. Auch die Wirtschaft ist höchst interessiert, dass weniger gut ausgebildete Frauen am Herd stehen, dafür im Beruf. Und dies am besten Vollzeit, damit ihr Potenzial nicht verloren geht. Diejenigen Mütter jedoch, welche die Karriereleiter hochklettern wollen, müssen die männlichen Spielregeln einhalten. Sie schuften und schuften, um vorwärts zu kommen und nicht selten ignorieren sie auch ihre Bedürfnisse. Gleiches gilt für Väter. Etwa 90% arbeiten Vollzeit, um das Familieneinkommen zu sichern, sollen aber zu Hause gleich viel Familien- und Hausarbeit übernehmen wie die Partnerin. Keiner darf hinter dem anderen zurückstehen. Die Männer haben genug lange als das faule Geschlecht gegolten.

Viele Paare stehen jedoch unter Dauerstrom. Damit sie allesin den Griff kriegen, werden sie zu Terminpartnern und Logistikgfachleuten. Und eigentlich klappt alles bestens, wenn nur das Kind nicht schon wieder Fieber hätte, der Partner die superwichtigen Abendtermine nicht alle wahrnehmen würde oder wenn der Babysitter nicht schon wieder krank wäre.

Das Bedrückende an dieser Situation scheint mir aber etwas Anderes zu sein. In unserer neuen Väter-Studie sagen fast 80%, dass sie viel zu wenig Zeit hätten für die Zweisamkeit mit der Partnerin. Und ebenso viele Mütter sind der Meinung, den Vätern fehle oft die Gelassenheit, am Abend über anderes als den Beruf zu sprechen. Mit dem Vereinbarkeitsproblem ist offenbar auch die Gefahr verbunden, die Sprache zu verlieren: dass man sich kaum mehr ganz aufeinander einlassen kann. Und dies ohne dass im Kopf ein Sturm von Gedanken tobt, über den Job, über das schlechte Gewissen und die Ausreden, weshalb man Vieles wieder nicht geschafft hat.

Was nun? Das Rad kann nicht zurückgedreht werden. Dass Frauen Karriere machen, ist gut; für sie selbst, für die Gesellschaft, für die Männer. Wenn sie sich mehr um ihre Kinder kümmern und zu Hause anpacken, denn dies erzeugt Druck auf die Wirtschaft, flexibler zu werden. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Frauen und Männer Beruf und Familie vereinbaren könnten – aber nicht in unserer rückständigen Arbeitskultur mit ihrem eigenartigen Produktivitätsbegriff. Ich meine damit vor allem die zunehmende Verquickung von Familien- und Wirtschaftspolitik und die Instrumentalisierung von Müttern und Vätern als Arbeitskräfte. Es ist nicht so, dass Frauen Kinder bekommen sollen, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken und möglichst schnell dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung zu stehen. Es ist auch nicht so, dass Männer weniger, aber effizienter arbeiten sollen, um mehr zu Hause zur Verfügung zu stehen. Es ist nicht alles nur eine Frage von Geld, Organisation und gutem Wille der Eltern. Familien sind Entwicklungssysteme und keine mechanisch funktionierenden Gebilde!

Einfach noch mehr Entlastung der Familien zu fordern, noch mehr Teilzeitarbeit für beide Partner und noch mehr Kitas ist somit nur die eine Seite der Medaille. Wir bräuchten vor allem eine grundlegende Veränderung heutiger Denkmuster und eine andere Anerkennungsordnung von Vätern und Müttern. Erstens müsste die Arbeitswelt Möglichkeiten schaffen, damit sich Eltern in der intensivsten Familienphase etwas zurücknehmen können, um sich später wieder reinzuhängen. Zweitens wäre damit eine Herausforderung für die Paare selbst verbunden. Der Paartherapeut Jürg Willi nennt sie «Koevolution», die Kunst gemeinsamen Wachsens. Übertragen auf berufstätige Väter und Mütter würde dies bedeuten, dass Karriereplanung viel längerfristiger und nie isoliert nur bei sich selbst geschehen kann, sondern immer in der Entwicklung mit dem Du.

Ich will - und zwar sofort! Mangelnde emotionale K...
Elternwille und Gymnasium. Weshalb Mama und Papa b...

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Kommentare 1

Gäste - Mara (website) am Montag, 20. November 2017 16:39

Meiner Meinung nach, ist die Schweiz ein extrem kinderunfreundliches Land! Mutterschaftsurlaub von 3 bis 4 Monate ist einfach viel zu kurz! Vaterschaftsurlaub wurde einfach abgeschmettert, obwohl es für einen guten Familienstart sehr wichtig wäre!
Das Hauptproblem ist aber, dass die Männer viel zu wenig für die Familie machen! Ich kenne genug Familien, bei denen beide Elternteile genau gleich viel arbeiten, aber am Ende ist dann immer die Frau, die sich zusätzlich um Kinder und Haushalt kümmert! Das darf einfach nicht sein!!! Zum Glück aber, gibt es auch Ausnahmen! Ich kenne selber zwei Familien, bei denen der Vater daheim ist und die Mutter arbeitet, da diese eine bessere Ausbildung hat. Und ich kann sagen, dass dies super klappt! Ausser die dummen Kommentaren von anderen Männer!!!

Meiner Meinung nach, ist die Schweiz ein extrem kinderunfreundliches Land! Mutterschaftsurlaub von 3 bis 4 Monate ist einfach viel zu kurz! Vaterschaftsurlaub wurde einfach abgeschmettert, obwohl es für einen guten Familienstart sehr wichtig wäre! Das Hauptproblem ist aber, dass die Männer viel zu wenig für die Familie machen! Ich kenne genug Familien, bei denen beide Elternteile genau gleich viel arbeiten, aber am Ende ist dann immer die Frau, die sich zusätzlich um Kinder und Haushalt kümmert! Das darf einfach nicht sein!!! Zum Glück aber, gibt es auch Ausnahmen! Ich kenne selber zwei Familien, bei denen der Vater daheim ist und die Mutter arbeitet, da diese eine bessere Ausbildung hat. Und ich kann sagen, dass dies super klappt! Ausser die dummen Kommentaren von anderen Männer!!!
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