Warum Väter nicht Teilzeit arbeiten

Der Mann will lieber 100% ins Büro als Teilzeit arbeiten. Ungefähr so stand dieser Satz kürzlich in der Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz. Der Artikel ist gut recherchiert und differenziert geschrieben. Trotzdem lässt sich die Hauptbotschaft, der Vater sei es, der sein Arbeitspensum nicht kürzen wolle, so nicht stehen lassen. Unsere Forschungsergebnisse aus der Franz- und Tarzan-Studie* sprechen eine etwas andere Sprache. In diesem Blog berichte ich, weshalb die Partnerin eine ganz wesentliche Rolle spielt, lasse aber die Rolle der Arbeitgeber berücksichtigt (siehe hierzu mein Blog «Dinosaurier Dads in Chefetagen» vom 30.04.2017).

Die stille Revolution

Väter engagieren sich heute – empirisch in verschiedenen Studien belegt – viel intensiver in Haushalt und Kinderbetreuung als dies noch für ihre eigenen Väter der Babyboomer-Generation gegolten hat. Man darf somit durchaus von einer stillen Revolution sprechen, sieht doch das Familienleben heute radikal anders aus. 70 Prozent der Männer empfinden ihre Rolle in der Familie im Vergleich zu ihren Vätern als markant anders und bewerten diese Veränderungen als persönlichen Gewinn.

Die Einstellungen der Männer haben sich deutlich verändert, und es hat auch ein bemerkenswerter Umdenkprozess stattgefunden – doch schlägt sich dies nur ansatzweise im beruflichen Handeln nieder. Viele Männer steigern ihr Arbeitspensum sogar nach der Geburt des ersten Kindes. In unserer Tarzan-Studie sagte ein Drittel der Befragten, die Berufsarbeit dominiere ihr Leben und setze sich stark im Kopf fest. Ähnliche geschlechtsspezifische Muster zeigen sich bei Frauen. Nach einem durch Mutterschaft bedingten Unterbruch werden zwar viele wieder berufstätig, der Grossteil entscheidet sich jedoch für ein Teilzeitpensum und übernimmt nicht nur den Hauptanteil der Haus- und Familienarbeit, sondern auch die innerfamiliäre Gesamtverantwortung. Dies sind Gründe, weshalb sich die traditionelle Rollenverteilung in der Partnerschaft verfestigt**.

Warum ist dies so? Hierfür gibt es verschiedene theoretische Erklärungsmodelle, drei sind besonders bedeutsam***:

Traditionelle Rollenverteilungen und ihre Hintergründe

Ökonomische Arbeitsteilung: Gemäss diesem Ansatz sind Haushalt und Familie ein Kleinunternehmen, in dem die finanziellen Mittel eine wichtige Rolle spielen. Mit der Geburt des ersten Kindes werden aufgrund erhöhter Investitionskosten wirtschaftliche Fragen entscheidend, so dass die Logik des Geldbeutels nun eine viel bedeutsamere Rolle spielt. Hat der Mann ein höheres Salär und die Frau geringere Verdienstmöglichkeiten, wird eine relativ traditionelle Rollenaufteilung vorgenommen. Diese ermöglicht, dass Eltern sich finanziell mehr leisten können, währendem eine Teilzeitarbeit des Vaters oft mit finanziellen Einschränkungen verbunden wäre. Dies können oder wollen viele Paare nicht auf sich nehmen. Viele arbeiten, weil sie das Geld brauchen, nicht aus Luxus. Ein Teil der Männer kann die Familie noch alleine durchbringen, aber ein grösserer Teil kaum.

Des Weiteren begünstigen wohlfahrtsstaatliche Rahmenbedingungen herkömmliche Mutter- und Vaterschaft. So wirken sich die hohen Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung auf Familien traditionalisierend aus, weil ein Elternteil notgedrungen beruflich zugunsten der familiären Fürsorgearbeit zurückstecken muss. Des Weiteren kommen die Lücken in der Besteuerung hinzu. Heute haben wir immer noch Strukturen, die das Einverdienermodell bevorzugen.

Machtverhältnisse: Nicht nur die Finanzen sind ausschlaggebend dafür, wie sich Paare organisieren. Auch die Machtverhältnisse und Rollenabsprachen sind wesentlich. Diesem Ansatz zufolge versucht jeder der beiden Partner, seinen Nutzen (das, was man gerne tut) zu maximieren und seine Kosten (das, was man nicht gerne tut) zu minimieren. So nehmen Frauen für sich eher die Pflege des Kindes oder bestimmte Haushaltsarbeiten in Anspruch und delegieren Ungeliebtes (z.B. Steuererklärung ausfüllen) an den Partner. Für Männer gilt Anderes. Prioritär ist für sie oft der direkte Umgang und das Spielen mit dem Kind, sekundär jedoch Putzen oder Wäsche bügeln. Weil derjenige Partner mächtiger ist, der ein höheres Salär bezieht resp. eine bessere Perspektive auf dem Arbeitsmarkt hat, bestimmt dieser die Aufteilung der Arbeiten. Da Männer häufig diese Personen sind, drücken sie sich von den am wenigsten attraktiven Aufgaben und überlassen diese eher den Partnerinnen. Die grosse Frage ist aber, weshalb dies die Frauen überhaupt zulassen.

Das Ideal der guten Mutter: Dass gerade auch diejenigen Frauen, welche die Vision einer gleichgestellten Partnerschaft verfolgen, oft die gesamte familieninterne Verantwortung übernehmen, hat viel mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Normen über berufstätige Mütter zu tun. Diese Normen orientieren sich an der Ideologie der guten Mutter, die gegenwärtig eine Renaissance erlebt. Oft verspüren Frauen verstärkt den Wunsch, mehr Zeit mit dem Nachwuchs und weniger Zeit mit Berufsarbeit zu verbringen. Eine Folge davon ist, dass viele Frauen zu Beginn der Mutterschaft die Gesamtverantwortung für das Haushalts- und Familienmanagement teils fast euphorisch übernehmen und sich entscheiden, den Arbeitsplatz zu quittieren oder weniger zu arbeiten. Sie denken, es sei doch nur gerecht, wenn sie kürzer treten, weil sie ja schliesslich die Mütter und deshalb von Natur aus geeigneter für Betreuungsaufgaben sind als Männer. Der Mann konzentriert sich auf seinen Beruf und leistet gerade so viel Fürsorgearbeit wie nötig, währendem die Frau das Ausmass ihrer Erwerbsarbeit an ihre Fürsorgeverpflichtungen anpasst.

Die Rollenverteilung geschieht in gegenseitigem Einverständnis

Diese Gesamtdynamik führt zu einem Traditionalisierungsprozess, der sich jedoch fast immer in gegenseitigem Einverständnis vollzieht. Viele Studien – so auch unsere Tarzan-Untersuchung – belegen, dass nicht wenige Frauen die Sicherung des Familieneinkommens als primäre Aufgabe des Partners verstehen und sie seine Berufskarriere unterstützen***.

Deshalb ist die Kritik an den zu viel arbeitenden Vätern vor diesem Hintergrund nicht nur zu entkräften, sondern auch zu hinterfragen. Die hohe Berufsorientierung und Erwerbszentrierung von Männern, die meist als selbstverschuldet taxiert wird, ist eher ein Resultat des Wechselspiels mit ihrer Partnerin - und verschiedener anderer Faktoren.

Weiterführende Literatur

*Siehe hierzu die Dossiers oder Forschungsberichte auf der Website: margritstamm.ch.

**Possinger, J. (2013). Neuen Vätern auf der Spur. Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben. Münster: Waxmann.

***Allerdings tendieren Paare, die ungefähr gleich viel verdienen, deutlich seltener zu diesem Modell: Grunow, D., Schulz, F. & Blossfeld, H.-P. (2007). Was erklärt die Traditionalisierungsprozesse häuslicher Arbeitsteilung im Eheverlauf: soziale Normen oder ökonomische Ressourcen? Zeitschrift für Soziologie, 36, 3,162–181. 

Frauen im Konkurrenzkampf
Prügelknabe Gymnasium?

Ähnliche Beiträge

 

Kommentare

Derzeit gibt es keine Kommentare. Schreibe den ersten Kommentar!
Bereits registriert? Hier einloggen
Gäste
Donnerstag, 09. Mai 2024

Sicherheitscode (Captcha)

By accepting you will be accessing a service provided by a third-party external to https://margritstamm.ch/