Von Margrit Stamm auf Mittwoch, 03. Juli 2024
Kategorie: Blog

Sollen Kinder in den Sommerferien büffeln? Kommt drauf an ...

 erschienen in: Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz, 25.06.2024, 4.


Jetzt sind sie da, die ersehnten Sommerferien. Verreisen, ausschlafen und unbeschwert sein. Darauf freuen sich alle.

Fast 60% der Kinder müssen lernen in den Ferien

Doch für nicht wenige Kinder sieht die Realität anders aus. Anstatt sorgenlos herumzutoben, sollen sie auch in den Sommerferien lernen. Für 59 Prozent trifft dies zu, so eine Studie, die Eltern schulpflichtiger Kinder befragt hat. Nachvollziehbar, denn heute überwiegt die Überzeugung, mit guter Förderung werde der beste Schulabschluss möglich. Nachhilfeschulen sind deshalb im Sommer besonders gut gebucht.

Der Impuls zum Sommerferienlernen kommt selten von den Heranwachsenden. Meist sind es Elternhäuser, die dies so wollen. Entweder, weil die Noten nicht so gut wie erhofft sind. Oder, um das Kind fit zu machen und den Rucksack für die Zukunft gut zu füllen. Und dritte nutzen solche Angebote, weil sie nicht wissen, wohin mit dem Nachwuchs. Für viele berufstätige Väter und Mütter sind lange Schulferien eine Herausforderung, auch für die geschicktesten Ferientaktiker.

Gute Gründe fürs Sommerferienlernen, aber …

Doch es gibt gute Gründe für das Lernen in den Sommerferien. Die Forschung belegt, dass gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler einen Teil des Gelernten in dieser Zeit wieder vergessen. Wer somit während zwei Wochen in einem Angebot täglich eine Doppellektion in Mathematik oder Französisch besucht, profitiert möglicherweise davon. Ist die Motivation hoch, kann das Kindern Spass machen. Sie lernen in kleinen Gruppen, und Lehrpersonen können auf ihre Bedürfnisse eingehen.

Problematisch ist jedoch, wenn die Sommerferien mit schulischem Lernen durchgetaktet sind. In unserer Hochleisterstudie berichteten auffallend viele der befragten Jugendlichen darüber. Nach den Familienferien stehe oft ein Sommercamp zur Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse an, Kurse in einem Lernzentrum und dann auch noch das Abarbeiten von Lernmaterial zu Hause. Die Mehrheit hätte jeweils lieber mehr unverplante Zeit mit Freundinnen und Freunden als ein schulisches Dauerferien-Programm.

Wer zum Lernen gedrängt wird, empfindet es oft als Strafe

Zum Büffeln in den Sommerferien gehen die Meinungen stark auseinander. Oft sind Eltern überzeugt, ihre Sprösslinge könnten davon besonders profitieren. Das mag durchaus zutreffen, aber es kommt auf das Wie und Wieviel an. Heranwachsende brauchen auch Pausen vom schulischen Lernen und Möglichkeiten zum unbeschwerten Sein. Das ist der wichtigste Punkt, der gegen das Sommerferienlernen spricht. Wer zum Lernen gedrängt wird, verliert die intrinsische Motivation und empfindet Lernen als Strafe.

Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass lange nicht alles, was man für einen erfolgreichen Bildungsweg braucht, nur in der Schule gelernt wird. Wesentliches können junge Menschen auch jenseits schulischen Lernens erwerben. Zum Beispiel Soft Skills wie Sozialkompetenz, Hartnäckigkeit, Selbstvertrauen oder Frustrationstoleranz. Solche Skills sind alles andere als soft, sondern genauso wichtig wie Schulnoten. In einem Pfadi-, Blauring- oder Fussball-Lager müssen sich Mädchen und Buben solche Skills fast automatisch aneignen: eine Woche ohne Mama und Papa sein, ohne Handy und vielleicht ohne Warmwasserdusche. Und meist bewegen sie sich in altersgemischten Gruppen, so dass ältere von jüngeren und umgekehrt voneinander lernen.

Attraktive Ferienprogramme der Gemeinden jenseits der Schule sind wirksam

Noch ein anderer Aspekt spricht gegen schulisches Sommerferienlernen. Nicht alle Familien haben finanzielle Ressourcen, ihre Kinder in privaten Ferienkursen fördern zu lassen. Diese Tatsache kann Bildungsungleichheiten verstärken.

Kinder haben nicht nur ein Recht auf Bildung, sondern auch ein Recht auf den heutigen Tag. Gemeinden, die attraktive und günstige Ferienpassprogramme jenseits des schulischen Lernens anbieten, tun etwas dafür. Das ist nicht nur entwicklungsförderlich, sondern entlastet auch berufstätige Eltern. Vereinbarkeitsprobleme bekommen so mal eine Sommerpause.

Siehe auch mein Podcast «Education to go» margritstamm.ch oder auf allen gängigen Podcast Portalen und Apps zu hören und zu abonnieren 

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