
Unentbehrliches Enkelbusiness - Grosseltern sind so wichtig wie nie – aber es gibt auch Konflikte
erschienen i: Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz, 10.11.2025, 2.
Küsschen und Umarmungen zu jeder Zeit, Süsses ist erlaubt, feste Zubettgehzeiten sind nicht so wichtig. Das ist eine manchmal verschwiegene «Hausregel» nicht weniger Grosseltern. Mütter und Väter sehen dies lange nicht immer so. Mindestens die Hälfte von ihnen berichtete in unserer Familienstudie von Meinungsverschiedenheiten. Doch davon später.
Zwei Milliarden CHF Betreuungsleistungen pro Jahr
Ohne Grosseltern läuft fast nichts. Sie sind viel mehr als Babysitter. Fast 60 Prozent leisten regelmässige und unbezahlte Betreuungsarbeit. Weil sie in den Alltag der jungen Familien eingebunden sind, haben sie Erziehungsmitverantwortung. Darüber hinaus leisten sie einen gesellschaftlichen Beitrag. In Zeiten steigender Lebenshaltungskosten und zunehmender Berufstätigkeit beider Elternteile springen sie häufig dort ein, wo staatliche Strukturen oder Betreuungsangebote fehlen. So ermöglichen sie berufliche Flexibilität und greifen Söhnen und Töchtern unter die Arme. In volkswirtschaftlicher Sicht macht ihre Wirtschaftsleistung rund zwei Milliarden Franken pro Jahr aus, 80 Prozent davon werden durch Grossmütter generiert. Deshalb werden sie oft «Schattenmütter» genannt. Doch Grossväter holen stark auf.
Eine solche wirtschaftsorientierte Sichtweise ist jedoch zu eng. Die Rolle und das Wirken der Grosseltern hat viele andere Facetten, die meist ausgeblendet werden. Dazu gehören gesellschaftliche, sozial-emotionale und psychologische Aspekte.
Mütter überlassen ihre Kinder deutlich öfters den eigenen Müttern
In unserer Gesellschaft werden ältere Menschen oft abwertend als «Boomer» bezeichnet oder dann zu «Grosis» und «Opis» reduziert. Das tönt nach Verniedlichung, langweiligen Älteren oder nostalgischen Freizeitgestaltern. Doch das sind stereotype Bilder jenseits der Realität. Die Forschung zur Lebenspannenpsychologie zeigt ganz anderes. Viele ältere Menschen führen ein aktives Leben, reisen, engagieren sich in verschiedenen Bereichen (auch ehrenamtlich!) oder sind noch berufstätig. Sie leben unabhängig, trotzdem ist ihre Bereitschaft zur Betreuung der Grosskinder relativ hoch, aber mit eigenen Ansprüchen.
In sozialer Hinsicht wird die Enge und Häufigkeit des Kontakts zwischen Grosseltern und Enkeln massgebend von der Beziehung der Tochter zu ihren Eltern beeinflusst. Laut dem Generationenbericht Schweiz von Pasqualina Perrig-Chiello überlassen Mütter ihre Kinder deutlich öfters den eigenen Müttern, seltener den Schwiegermüttern. 60 Prozent der Omas mütterlicherseits haben enge Beziehungen zu ihren Enkeln, aber nur 40 Prozent der väterlichen Linie. Doch für Kinder ist das kaum bedeutsam. Das wichtigste für sie ist, dass die Chemie zu Grossmama und Grosspapa stimmt. Das hat viel mit Emotionen zu tun.
Grosseltern müssen sich heute kaum mehr als moralische Instanzen in Szene setzen. Eher fühlen sie sich als Freunde oder Kumpel der Kids. Manchmal stecken dahinter auch selbstkritische Fragen, ob ihre damalige Erziehung zu streng war und sie gefühlte Fehler bei den Enkeln korrigieren sollten. Andere finden jedoch, Disziplin und Strenge hätten ihren Kindern nicht geschadet, weshalb sie der modernen Erziehung gegenüber skeptisch eingestellt sind.
Es gibt auch Streitpunkte zwischen den Generationen
Zurück zu den eingangs erwähnten Spannungen zwischen den beiden Generationen. Häufigste Streitpunkte sind Erziehungsfragen (Grosseltern lassen mehr durchgehen oder bestrafen für Dinge, welche die Eltern gelassener sehen), Ernährung (Oma und Opa erlauben öfters Naschereien, Eltern haben klare Regeln zum Konsum von Zucker), Grenzüberschreitungen, ohne die Eltern zu fragen («Ich hab ihm mal die Haare schneiden lassen»).
Psychologische Konflikte zwischen den Generationen lassen sich entschärfen mit klaren Absprachen, gegenseitigem Respekt und Dankbarkeit. Die ältere Generation kann so lernen, sich mit Ratschlägen oder Handlungen zurückzuhalten, die ihnen nicht zustehen. Und die junge Generation erkennt, wie sehr sie von der Unterstützung profitiert, diese aber oft als selbstverständlich empfindet.
Ein Kompass für die Zusammenarbeit
Das Sprichwort von Khalil Gibran könnte als Kompass für die Zusammenarbeit von Grosseltern und Eltern dienen: «Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch, und obwohl sie bei euch sind, gehören sie euch nicht.»
Also: Loslassen statt Besitzdenken; Demut vor dem Eigenen der Kinder; Beziehung und Vertrauen statt Kontrolle.
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