erschienen in: Aargauer Zeitung / Die Nordwestschweiz, 17.07.2017, 16.
Frauen sind teamfähiger als Männer. Sie kommunizieren besser und sind weniger machtorientiert. Darüber ist sich die Wissenschaft mehrheitlich einig. Offenbar gilt dies nicht immer. In einer unserer Untersuchungen hatten mehr als 60 Prozent der Befragten die Aussage bejaht, Frauen würden oft in einem Konkurrenzkampf mit anderen Frauen stehen. Auch Nannys berichten, Mütter wären eifersüchtig auf sie, weil das Kind zu ihnen eine innige Beziehung habe.
Wie kommt das? Was ist mit der oft zitierten weiblichen Solidargemeinschaft? Man könnte doch davon ausgehen, dass sich Frauen im Schwimmkurs, auf dem Spielplatz oder im Mu-Ki-Turnen zusammentun und Gleichgesinnte finden. Glaubt man den Aussagen von Müttern, dann ist dies nur so lange der Fall, bis man über Kinder und Beruf zu sprechen beginnt. Dann ist es vorbei mit der normalen Unterhaltung. Passt das Verständnis von Mutterschaft, ist Herzlichkeit und Anteilnahme garantiert, andernfalls lauern Konkurrenz und Argwohn.
Doch geht es nicht lediglich um den Streit zwischen Vollzeitmüttern und berufstätigen Müttern. Der Konkurrenzkampf ist umfassender und betrifft späte und junge Mütter, Einkind- und Mehrkindmütter, Shopping- und Ökomütter: Jede Gruppe ist überzeugt, sie praktiziere die angemessenste Form von Mutterschaft. Solidarisch ist man deshalb nur mit den Frauen, die gleich denken und handeln. Das gemeinsame Mittagessen zu Hause gilt für die einen als Relikt von vorgestern, für die anderen ist es ein erzieherisch wichtiges Ritual. Und auch Frauen, welche nach dem Mutterschaftsurlaub wieder voll einsteigen und dazu stehen, dass ihnen der Beruf besondere Freude bereitet, weht ein rauer Wind um die Ohren.
Was steckt hinter solchem Konkurrenzdenken? Und warum steht meist die Mutterschaft im Zentrum? Weil es kaum Forschung dazu gibt, wissen wir es nicht so genau. Zwei Erklärungsmuster sind aber einleuchtend, das erste betrifft die Angst vor den Folgen der Entscheidung für oder gegen die Berufstätigkeit, das zweite die Ideologie der guten Mutter.
Mutterschaft ist heute nichts Selbstverständliches mehr. Frauen können sich entscheiden, wie viele Kinder sie bekommen, ob sie diese allein erziehen und ob sie berufstätig bleiben wollen. Doch mit einer Frage tun sich nicht wenige Frauen schwer: ob sie vielleicht die falsche Wahl getroffen haben und mehr bei den Kindern bleiben sollten. Sie schuften und schuften, um alles unter einen Hut zu bringen, trotzdem haben sie dauernd ein schlechtes Gewissen. Manchmal beneiden sie Vollzeitmütter, die aus ihrer Sicht alles gelassener nehmen können. Diese wiederum hadern genauso, manchmal mit der finanziellen Abhängigkeit vom Partner, manchmal kämpfen sie gegen die Angst, später keine beruflichen Einstiegschancen mehr zu haben.
Auch die Ideologie der guten Mutter entzweit die Frauen. In den letzten Jahren hat sie stark an Gewicht zugelegt und zu einem unheilvollen Wettbewerb zwischen Müttern geführt. Ob berufstätig oder nicht – Frauen müssen heute beweisen, dass sie gute Mütter sind und ihre Kinder nicht vernachlässigen. Und gut heisst nichts anderes als intensiv. Sie sollen eine innige Verbundenheit zum Kind haben, selbstlos sein, in den Nachwuchs viel Qualitätszeit investieren und seine Bedürfnisse über die eigenen stellen. Viele Frauen wetteifern deshalb miteinander, wer die beste Mutter ist und die tollsten Geburtstage für den Nachwuchs schmeisst, die gesündesten Znünis einpackt, gleichzeitig auch noch toll aussieht und eine gute Figur hat.
Doch das Ziel der guten Mutter schafft nur Verliererinnen. Es ist derart hoch gesteckt, dass es keine Frau jemals wird erreichen können, auch nicht Vollzeitmütter, die ihre ganze Kraft in die Familie stecken. Zudem ist dieses Mutterbild auch schädlich für das Wohlbefinden. 70 Prozent der Mütter geben an, immer wieder Schuldgefühle zu haben und sich permanent unter Druck zu fühlen.
Was folgt daraus? Dass sich Frauen von der Überzeugung verabschieden sollten, nur ihr eigener Lebensweg sei der richtige. Ob berufstätig oder nicht: Wir brauchen Frauen, die sich kritisch mit dem perfektionistischen Mutterideal auseinandersetzen und mehr zu sich selbst Sorge tragen anstatt Überfürsorglichkeit für andere zu leisten.